Was wäre, wenn Zagreus während seiner Flucht aus dem Hades zur Überlistung des Höllenhunds Kerberos lediglich eine AGP-Grafikkarte gebraucht hätte, um dann mit einem Speedboat über den Acheron zu entkommen? Oder anders formuliert:
Was haben Retro-Grafikkarten, Wachhunde und schlaflose Nächte gemeinsam?
Zur Auflösung bitte bis zum Schluss lesen.
Zurück zur Realität
Eins vorweg: Das mythologische Thema kann ich leider nicht aufrecht erhalten, dazu reichen meine Kenntnisse nicht aus. Effektiv geht es um einen Midway Hydro Thunder Automaten, welchen ich zu einem Spottpreis mit anderen Spielautomaten zusammen bekommen hatte. Einziger Haken: Die Kiste läuft nicht.
Hydro Thunder war eines der ersten PC-Hardware basierten Arcade Spiele. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Quicksilver II System des Herstellers Quantum3D. Neben einer proprietären Voodoo II basierten Grafikkarten gibt es eine spezielle Stromversorgungskarte, welche den Soundamp, die Netzplatine sowie das sogenannte Diego Board mit Strom versorgt.
Ich war mir sicher, dass ich das Problem lösen konnte, denn mit PC Hardware kenne ich mich aus. Das Spiel bootete nicht, der PC piepte beim Booten zwei mal. Laut Mainboard Manual hiess dies: Grafikfehler. Ich tauschte ein paar Komponenten mit Komponenten des Ersatz PCs aus, jedoch brachte dies nicht den gewünschten Erfolg. Also setzte ich mich an den Rechner und fing and zu recherchieren.
Die Shopping-Tour beginnt
Zum einen hatte ich für den Rechner nicht hundertprozentig passendes RAM, ausserdem war ich mir sicher, eine neue Grafikkarte zu brauchen. Die proprietäre Grafikkarte im Hydro Thunder Automaten verfügt über einen speziellen Sicherheitschip, welcher von der Software während des Bootprozesses abgefragt wird.
Bei meiner Recherche fand ich dann heraus, dass es ein gepatchtes HDD-Image gibt, welche den Sicherheitscheck überspringt und es ermöglichen würde, irgendeine handelsübliche VooDoo II Grafikkarte zu verwenden.
Ausserdem fand ich heraus, dass zwei Mal piepen beim Hydro Thunder normal ist, aber dazu später mehr.
Am Schluss besorgte ich mir also RAM, Grafikkarte und ein SD-Karte zu 2.5″ IDE sowie einen 2.5 IDE zu 3.5″ IDE Adapter. Anbei ein Bild einiger Komponenten. Hinweis: Zu Anfang hatte ich es mit einem SATA zu IDE Adapter versucht und auf einer alten SSD eine sogenannte HPA (Host Protected Area) eingerichtet, da das BIOS keine Volumes über 8 GB erkennt. Dies funktionierte dann jedoch nicht.
Licht ins Dunkel
Nun kommen wir schon zum ersten Knackpunkt:
Die VooDoo II Grafikkarte ist eine reine 3D-Karte. Das heisst sobald Text oder 2D-Oberflächen dargestellt werden soll bleibt der Bildschirm schwarz, sofern nicht eine 2D-fähige Karte ebenfalls verbaut und entweder per Passthrough-Kabel oder wie bei der Quantum3D Variante direkt mit dem Bildschirm verbunden ist.
Dazu kommt, dass Hydro Thunder einen Mid-Res Monitor (25KHz) hat und das 31 KHz des Bootscreens dem Monitor schaden kann. Also empfiehlt es sich, einen externen Monitor für das Troubleshooting zu verwenden.
Da ich nun endlich etwas vom System sehen konnte, konfigurierte ich den SD zu IDE Adapter (nicht auf dem Bild ersichtlich) korrekt und bekam dann eine Fehlermeldung während des Bootprozesses zu Gesicht.
Die Fehlermeldung war leider nicht sehr aussagekräftig:
Was nun folgte waren unzählige Troubleshooting Sessions und Nachlöt-Aktionen des Diegoboards teilweise sogar mit netter Unterstützung interessierter Fachpersonen 🙂
Auf einmal funktionierte das Spiel dann und ich konnte mir nicht erklären wieso. Zu zweit richteten wir den PC schön her und montierten alles fix im Gehäuse.
Kaum war dies geschehen so verweigerte das Spiel auf einmal wieder seinen Dienst und ich konnte mir dies wieder nicht erklären. Einen Tag später kam dann jedoch die Erleuchtung.
Gefickt eingeschädelt
Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass im Diego Board (dort sind der Monitor sowie der Spiele-PC angeschlossen) ein Watchdog integriert ist. Der Watchdog Dienst muss mit Videolines versorgt werden. Erkennt der Watchdog über längere Zeit keine Videolines, so versucht er über ein Reset Kabel den PC neu zu booten. Dies funktionierte bei mir nicht. Schuld war, dass ein Kabel von der Stromversorgungsplatine zum Reset Header nicht richtig eingesteckt war, dies war jedoch noch nicht die komplette Lösung.
Das Hauptproblem war der Watchdog. Da ich immer nur die 3D Karte, welche ja sofern das Spiel nicht läuft keine Videolines liefert, an das Diego Board angeschlossen hatte und die 2D-Grafikkarte immer nur an den externen Monitor, hatte das Diego Board schon lange keine Video Lines mehr erkannt, was lustigerweise das Booten verhinderte.
Der Spielautomat war also in einer Art Teufelskreis gefangen:
- Das Spiel kann nicht booten, weil das Diego Board den Dienst verweigert.
- Das Diego Board verweigert den Dienst, weil es keine Videolines sieht.
- Die Grafikkarte kann keine Videolines liefern, weil es eine 3D-Only Karte ist und nicht ins Spiel booten kann.
Die Lösung war denkbar einfach:
Die 2D Kare einmalig ans Diego Board anschliessen, sodass dieses wieder ein paar Video Lines bekommen hat.
Die 2D Karte ausbauen und die 3D-Karte wieder anschliessen.
Heureka! Das Spiel läuft!
Um nochmal von diesem Teufelskreis zu reden: Man könnte ja durchaus sagen, dass das Troubleshooting die Hölle war. Den Watchdog zu überlisten war der Weg aus dieser Hölle, vielleicht versteht ihr jetzt die Analogie zur griechischen Mythologie 🙂
Gerne zeige ich noch ein Video des Bootprozesses.
Das Beste zum Schluss
Es wird bald Neuigkeiten zur Eröffnung der VideoBar geben 🙂